Die Sonne scheinet hell und warm,
Als wäre nichts geschehen:
Sie achtet nicht, daß tief in Harm
Zwei Menschenherzen flehn.
Unstäte Wolken hin und her
Mir ziehn durch den Sinn,
Und Tropfen fallen heiß und schwer
Auf meine Seele hin.
Die Thränen sind es, die mein Lieb
In unsern Kuß geweint,
Da’s wieder auseinander trieb
Uns, die sich kaum vereint.
Ach, lang genug hatt‘ unser Herz
Geschwebt in lautrer Lust:
Nun ward uns auch der Liebe Schmerz
Recht bitterlich bewußt.
Drei Tage froh! am vierten sank
Aufs neu‘ die Freud‘ ins Grab
Verrauscht vom bittern Leidenstrank
Zieh‘ ich das Land hinab.
Wer achtet’s doch, daß tief in Harm
Zwei Menschenherzen stehn?
Die Sonne scheinet hell und warm,
Als wäre nichts geschehn.
Karl Heinrich Wilhelm Wackernagel

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